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„Auf jeden Fall etwas sagen!“ – 10y diskutiert mit Beauftragtem für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen

„Was können wir gegen Antisemitismus machen, wenn wir mit ihm direkt konfrontiert werden?“, fragt Gresa Bungu und blickt gespannt nach vorn in Richtung Dieter Burgard und Emilia Taran. Die Zehntklässlerin muss nicht lange auf die Antwort der beiden Gäste warten: Der Beauftragte der Ministerpräsidentin für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen hebt hervor, dass Begegnungen mit Jüdinnen und Juden sowie der Besuch von Synagogen sehr wichtig seien. Wenn jemand auf dem Schulhof „Jude“ als Schimpfwort gebraucht oder Judenwitze reißt, müsse man eingreifen. Seine sehr eloquente Praktikantin, eine in Tel Aviv geborene Studentin an der katholischen Hochschule Mainz, unterstreicht, dass man auf jeden Fall etwas sagen müsse und sie selbst Antisemitismus erfahren habe, aber nicht verschweige, dass sie Jüdin sei.

Die 24 Schülerinnen und Schüler der 10y am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium Germersheim wirkten am 9. Februar 2022 durch diese Antworten auf Gresa Bungus Fragen wie gefesselt, formulierten aber im weiteren Verlauf der 45-minütigen Veranstaltung weitere sehr interessante Themen.

Janani Ruban bat um Auskunft, mit welchen Schwierigkeiten und Problemen man als Beauftragter für das jüdische Leben zu tun habe, woraufhin Dieter Burgard zunächst die Feuerbestattung ansprach und hiernach Probleme am Arbeitsplatz für Jüdinnen und Juden sowie Straftaten und antisemitische Kundgebungen.

Anna Plett wollte wissen, ob in Deutschland genug gegen Antisemitismus getan werde. Dieter Burgard akzentuierte, dass jüdische Einrichtungen durch die Polizei beschützt werden. Außer in Bremen gebe es in allen Bundesländern Beauftragte, die sich mit dem Thema Antisemitismus auseinandersetzten. Leider würden aber weiterhin Texte veröffentlicht, in denen gegen Homosexuelle, Ausländerinnen und Ausländer sowie Jüdinnen und Juden gehetzt werde. Hierbei werde alles vermischt. Die Strafverfolgung sei härter geworden. In Rheinland-Pfalz würden die jüdischen Friedhöfe sehr gepflegt und die fünf jüdischen Gemeinden stark unterstützt. Bedenklich sei es, dass viele Juden sich nicht mehr trauten, eine Kippa zu tragen. Mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Beauftragten in allen Bundesländern wären wünschenswert, letztlich benötige man aber die Unterstützung durch die gesamte Gesellschaft. Emilia Taran ergänzte, dass die Polizeiautos vor den Synagogen bedeuteten, dass es Antisemitismus gebe und leider nicht das Gegenteil. Durch die Begegnungen mit dem Beauftragten würden Vorurteile abgebaut.

Miriam Malthaner erkundigte sich, wie zu erklären sei, dass sich „Querdenker“ mit den Opfern der Shoa vergleichen und sogar gelbe Sterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ tragen. Während Emilia Taran herausstellte, dass Verschwörungstheorien, Verharmlosung und Vorurteile hierfür ausschlaggebend seien und es sich leider um keine Einzelfälle handele, bekräftigte Dieter Burgard, dass die gelben Sterne in einigen Städte verboten seien und es bedauerlicherweise auch Vergleiche mit Anne Frank sowie Bilder mit „Impfen macht frei“ in Anlehnung an die Tore von Konzentrationslagern gebe. Glücklicherweise gebe es bereits erste Urteile von Gerichten, die die Verhöhnung der Shoa nicht duldeten.

Alexia Rudi wendete sich an die zwei Eingeladenen mit der Frage, ob sie schon einmal mit einem Mord aus antisemitischen Gründen zu tun gehabt hätten, was beide verneinten, wobei Emilia Taran zu bedenken gab, dass auch nach den vielen Todesopfern der Shoa etliche Jüdinnen und Juden gewaltvoll angegriffen würden.

Akalya Ruban hakte nach, ob es einen Fall gebe, der die beiden schon einmal richtig emotional berührt habe, woraufhin Dieter Burgard den Fall eines jüdischen Bademeisters aus der Pfalz nannte, der seinen Job aufgrund seiner Religion verloren habe und für den er sich erfolgreich eingesetzt habe.

Ob er für seinen Einsatz bereits Hassbriefe oder -sprüche bekommen habe, wollte Sila Cögür erörtert wissen, was Dieter Burgard bedauerlicherweise bejahte. Zudem sei er gehackt worden. Bei einer Veranstaltung in Trier sei ihm auch mit Gewalt gedroht worden.

Gresa Bungu brachte die Errichtung des Staates Israel und die Auswirkungen auf Palästinenserinnen und Palästinenser ins Gespräch. Dieter Burgard stellte klar, dass sich die Vereinten Nationen dafür eingesetzt hätten und sich das Gebiet auf 60% Wüste erstrecke. Da zuvor Judäa existiert habe, sei dies für die Jüdinnen und Juden keine fremde Region gewesen. Wenn heutzutage Jüdinnen und Juden bedroht würden, fänden sie in Israel eine Zuflucht. Dennoch existiere der Wunsch nach einer Zwei-Staaten-Lösung. Die Mauern und der Stacheldraht seien sehr beängstigend. Leider gebe es Hardliner und auch in Rheinland-Pfalz existierten Gruppen, die Israel ablehnen. Emilia Taran erklärte, dass in den Sozialen Medien zu oft vereinfacht werde. Sie empfehle, wenn man die Möglichkeit habe, sich vor Ort ein Bild zu machen. Dieter Burgard fügte hinzu, dass es in Israel auch Musliminnen und Muslime sowie Christinnen und Christen gebe und Tel Aviv eine sehr moderne junge Stadt sei. Donald Trump habe Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt, was sehr problematisch sei.

Miriam Malthaner sprach die israelfeindlichen Demonstrationen in Deutschland an, woraufhin Dieter Burgard bestätigte, dass das Verbrennen von Fahnen eine Straftat sei. Die Partei „Der III. Weg“ habe sogar „Israel ist unser Unglück“ plakatiert.

Amely Neb bereicherte die Debatte mit der Frage nach dem Anstieg des Antisemitismus in den 1990er Jahren. Dieter Burgard führte aus, dass es vor 1990 kaum jüdische Gemeinden in Deutschland gegeben habe, es dann aber zu einer Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion gekommen sei. Als er das Amt übernommen habe, habe er nicht gedacht, dass es in Deutschland so viele Ewiggestrige gebe, die mit den jüdischen Gemeinden ein Problem haben. Emilia Taran untermauerte, dass es Antisemitismus gebe, wo es Jüdinnen und Juden gibt.

Der Besuch von Dieter Burgard war auf Initiative der Schülerin Miriam Malthaner zustande gekommen, die ihn im November 2020 angesprochen hatte, als die 10y die Möglichkeit hatte im Mainzer Landtag die Shoa-Überlebende Henriette Kretz treffen und befragen zu können. Hier war Burgard ebenso anwesend wie bereits anlässlich des 9. Novembers am Goethe-Gymnasium, als alle Zehntklässlerinnen und Zehntklässler seinen Ausführungen lauschen durften.

Für die 10y war es bereits die achte außerunterrichtliche Aktion im sprachlich-gesellschaftswissenschaftlichen Bereich in diesem Schuljahr. Neben den Treffen mit Dieter Burgard nahmen die Schülerinnen und Schüler an den Wahlkampfveranstaltungen von Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU) und Christian Lindner (FDP) teil, führten eine Videokonferenz mit dem CDU-Obmann im Energie- und Klimaausschuss Thomas Gebhart durch und besuchten die Neuverfilmung von Stefan Zweigs Schachnovelle in der Karlsruher Schauburg sowie die Aufführung von Friedrich Dürrenmatts „Das Versprechen“ im Nationaltheater Mannheim samt Nachbesprechung durch die Theaterpädagogin Ronja Gerlach.

Dieter Burgard war bereits im Januar 2019 – zusammen mit der heutigen Bundesfamilienministerin Anne Spiegel – zur Diskussion, wie weit Kunstfreiheit gehen darf, am GGG. Damals stand die durch die Rapper Kollegah und Farid Bang ausgelöste Debatte um antisemitische und frauenfeindliche Texte im Vordergrund.

Mit dem Besuch Dieter Burgards konnte das Goethe-Gymnasium in diesem Schuljahr erneut einen Schwerpunkt auf die Gedenkkultur legen. Zuvor hatten sich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer bereits für eine Verlegung von Stolpersteinen in Germersheim im Februar 2022 eingesetzt sowie am Programm „Meet a Jew“ teilgenommen.

Das Goethe-Gymnasium blickt auf eine sehr gelungene und kurzweilige Veranstaltung zurück und dankt Dieter Burgard und Emilia Taran, dass sie sich für den Besuch bei den Vierzehn- und Fünfzehnjährigen Zeit genommen haben.

Dirk Wippert

 

 

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