„Unser Land hat historische Verantwortung!“ – Landtagsabgeordneter Brandl diskutiert mit 10a anlässlich des 9. November

„Wie nehmen Sie zum aktuellen Antisemitismus Stellung?“, will Finjas Schwarz wissen. Gespannt blickt der Zehntklässler nach vorne Richtung Pult. Dort steht Martin Brandl und wird entgegen der zuvor getätigten Ausführungen deutlich ruhiger und nachdenklicher: „Das beschäftigt mich sehr. Unser Land hat eine historische Verantwortung. Es hat Verbrechen verübt. Wir alle in diesem Klassenraum können nichts dafür, aber wir stehen in der Pflicht jüdisches Leben zu schützen. Die Würde des Menschen steht an erster Stelle. Wir sind auch anders aufgestellt als andere Länder. In diesem Fall muss Klartext gesprochen werden: Bei uns ist es strafbar, wenn die Existenz Israels geleugnet wird. Wer in unserem Land lebt, muss Israel anerkennen.“ 

Nicht nur dieses klare Statement gegen die terroristischen Anschläge der Hamas gegen Jüdinnen und Juden am 7. Oktober 2023 bewegte die 26 Schülerinnen und Schüler der 10a am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium Germersheim am 10. November 2023 im Gespräch mit dem Landtagsabgeordneten Martin Brandl, sondern auch zahlreiche weitere Gesprächsthemen anlässlich des jährlich vom Landtag veranstalteten Besuchstags zum 9. November, wenn die Abgeordneten an die Schulen kommen.

Zum anderen großen Thema unserer Zeit, dem Krieg in der Ukraine, wollte Burhan Güneş erörtert wissen, warum es keine Gleichbehandlung der Ukrainerinnen und Ukraine im Vergleich zu Migrantinnen und Migranten aus mehrheitlich muslimischen Staaten gebe. Hierauf machte der frisch gekürte CDU-Kandidat für die Landratswahlen 2024 im Landkreis Germersheim deutlich, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer als Kriegsflüchtlinge einen Sonderstatus besäßen, indem sie viel schneller arbeiten dürften. Bei den Asylsuchenden aus anderen Ländern müsse zunächst das Recht auf Asyl geprüft werden. Hier gelte es sorgsam zu unterscheiden. Burhan Güneş hakte nach und erkundigte sich, ob nicht das Schicksal der Menschen aus Syrien vergleichbar wäre. Auch diese besitzen laut Brandl Schutz, solange der Krieg tobt. Für die Ukrainerinnen und Ukrainer habe man die Sozialgesetzgebung lediglich vorgezogen, während die neuesten Bund-Länder-Beschlüsse vorsehen, dass Menschen aus Syrien erst mit 36 statt bisher 18 Monaten in den Genuss von Sozialleistungen kommen.

Yannick Liebau fragte, ob sich der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag dafür einsetze, das Wahlalter in Rheinland-Pfalz bei Kommunalwahlen auf 16 zu senken. Der im Wahlkreis Wörth direkte gewählte Landtagsabgeordnete unterstrich, dass die CDU das Wahlalter an die Volljährigkeit knüpfe und dass es in Rheinland-Pfalz zu keiner Veränderung kommen werde, da der Regierung die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit fehle. Selbstverständlich führe dies zur absurden Situation, dass die Schülerinnen und Schüler im Alter von 16 und 17 Jahren 2024 das Europaparlament mitwählen dürften, nicht aber bei der gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahl.

Valeria Gut wollte wissen, ob der ehemalige GGG-Schüler es jemals bereut habe, Politiker geworden zu sein. Dieser gab zu, dass es solche Momente durchaus gebe. Er habe eine wöchentliche Arbeitslast von 60 bis 70 Stunden, was für die Familie sehr belastend sei, während manche Freunde auch mit einer 35- bis 40- Stunden-Woche gut verdienten. Abseits dieser Momente sei er aber sehr zufrieden. Er betreibe Politik mit Leidenschaft und Herz und sie bereite ihm viel Spaß, weshalb er sich nun auch um die Nachfolge von Landrat Fritz Brechtel bewerbe. Er könne dann noch näher für den Kreis arbeiten. Auch sein duales Studium und die acht Jahre in der Industrie, die er vor seinem Politikerleben verbracht habe, seien sehr gut gewesen.

Marla Wessa thematisierte die Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz und forderte den Christdemokraten auf, die wichtigsten drei Punkte zu nennen, die sich seiner Meinung nach ändern sollten. Hauptthema für ihn sei hier vor allem die deutsche Sprache, verdeutlichte der 42-jährige Rülzheimer. Durch die massive Zuwanderung könnten viele kein Deutsch mehr. Die Landesregierung sei der Auffassung, dass alle Erzieherinnen Deutsch reden müssten, in Germersheim aber hätten 80 bis 90% der Kitakinder einen Migrationshintergrund. Zudem sprächen 40% aller Erstklässlerinnen und Erstklässler schlecht oder kein Deutsch. Germersheim sei ein wunderbarer Schmelztiegel verschiedener Kulturen. Die Landesregierung sehe aber nur die Gräfenauschule in Ludwigshafen. Das Problem bestehe aber auch anderswo. Für eine zusätzliche Sprachförderung in den Kitas sei mehr Geld notwendig. Außerdem brauche es mehr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Zudem sei ein Problem, dass die IGS mehr Gelder als Gymnasien und Realschule bekämen und somit die Chancengleichheit reduziert sei. Das Ziel, nach der vierten Klasse rechnen, schreiben und lesen zu können, erreichten ein Drittel der Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz nicht, wodurch das Bundesland zur negativen Spitzengruppe gehöre.

Anne Kaufholds Frage nach sozialer Gerechtigkeit für Menschen mit Migrationshintergrund beantwortete Martin Brandl damit, dass es sich heute niemand mehr leisten könne, Bewerber abzulehnen, egal welchen Hintergrund die Menschen hätten.

Die Gründung des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ und die Auswirkung auf die CDU wurde von Jassin Popolzai angesprochen. Martin Brandl stellte klar, dass die Zersplitterung des Parteiensystems sehr schwierig für die Demokratie sei. Dadurch müssten viel mehr Kompromisse gemacht werden. Die 5%-Hürde trage zur Stabilisierung des Parteiensystems bei. Im Bündnis Sahra Wagenknecht sehe er Linkspopulisten. Viele von deren Ideen klängen gut, seien aber nicht umsetzbar.

Hieran anschließend fragte Lara Jakoby, warum die AfD so viel Zulauf bekomme und ob die CDU das gemeinsame Abstimmen mit der AfD in Landtagen verweigern sollte. Martin Brandl erklärte, dass viele Angst hätten, da die Welt sich so schnell verändere und Deutschland helfen müsse, einen Krieg gegen Russland zu führen. Hinzu komme der Krieg in Gaza und einen undurchsichtigen Dschungel an Informationsquellen. Außerdem streite sich die Regierung permanent und auch die CDU habe zuvor viele Fehler gemacht. Auch jetzt stelle die CDU in manchen Punkten keine gute Alternative dar. Der Migrationsgipfel sei gut gewesen, aber kein großer Wurf. Dennoch sei parteiübergreifendes Arbeiten gut. Eigene Anträge der CDU wie in Thüringen zur Grunderwerbssteuer müssten möglich sein, auch wenn die AfD zustimme. Eine aktive Zusammenarbeit mit vorheriger Absprache sei jedoch ausgeschlossen. In Thüringen werde womöglich sogar eine Allparteienregierung unter Einschluss der Linken gegen die AfD notwendig.

Ob zum 9. November auch Politikerinnen und Politiker der AfD in die Schulen eingeladen werden sollten, wollte Matthis Dreyer wissen. Martin Brandl hob hervor, dass er die AfD sehr kritisch sehe und diese nicht koalitionsfähig sei. Außerdem sei sie in Sachsen-Anhalt und Thüringen vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft worden. Dennoch sei die Partei demokratisch gewählt worden. Daher müssten auch deren Abgeordnete eingeladen werden. Es gebe jedoch unter den Fraktionen der SPD, CDU, Bündnis ´90 / Die Grünen, FDP und Freien Wählern im Alltag die Absprache, dass nach Möglichkeit kein AfD-Politiker alleine an die Schule kommen sollte, sondern immer ein Vertreter der anderen Parteien ebenfalls an die einladende Schule geschickt werden sollte. Am Tag zuvor habe er einen AfD-Abgeordneten während eines Schulbesuchs erlebt, der gefordert habe, dass in der Öffentlichkeit kein Kopftuch mehr getragen werden soll. Dies dürfe nicht unwidersprochen stehen bleiben. Die Religionsfreiheit stehe im Grundgesetz.

Das Goethe-Gymnasium bedankt sich bei Martin Brandl für seinen Besuch und blickt auf eine sehr gelungene und kurzweilige Veranstaltung. Auch die Landtagsabgeordneten Markus Kropfreiter (SPD) und Matthias Joa (parteilos) diskutierten mit Klassen und Kursen anlässlich des 9. November am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium. Bündnis ´90 / Die Grünen, FDP, AfD und Die Linke stellen derzeit keine Abgeordneten in den für das GGG relevanten Landtagswahlkreisen Germersheim und Wörth.

Dirk Wippert

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