„Es gibt Erwartung und Überraschung“, erklärt Max Hampl, steht am Klavier und drückt gekonnt die Tasten: „Hier hören Sie eine Harmoniefortschreitung in „Der Wegweiser“, einem Lied aus dem Liederzyklus.“ Das zahlreich erschienene Publikum lauscht gespannt und tatsächlich: Der Abiturient am Goethe-Gymnasium aus dem Jahr 2018 stoppt vor dem letzten Ton und allen ist klar, welcher Laut nun logisch folgen sollte. „Versierte Komponisten gehen nun genau diesen Weg nicht, sondern wählen eine Überraschung, die sich folgendermaßen anhören könnte." Wieder bedient der Stipendiat des Cusanuswerks die weißen und schwarzen Tasten und der unerwartete Effekt tritt ein.

Was der Pianist zusammen mit Bariton Leon Tchakachow am 13. November 2025 in der Aula im Rahmen des Goethe-Forums darbot, begeisterte nicht nur Schülerinnen und Schüler sowie aktuelle und ehemalige Lehrkräfte, sondern auch zahlreiche Musikbegeisterte aus Germersheim und Umgebung. Das seit 2015 in loser Folge stattfindende Goethe-Forum konnte hierbei erneut das Gymnasium mit der kulturinteressierten Bevölkerung verbinden. Aber nicht nur theoretische Erläuterungen rund um die „Winterreise“ von Franz Schubert standen im Mittelpunkt des Abends, sondern zahlreiche Liedbeispiele aus dem Zyklus sowie eine offene Gesprächsrunde, in der die beiden Protagonisten zu den Hintergründen ihrer Zusammenarbeit sowie zu Franz Schuberts Meisterwerk befragt werden konnten.

Hierbei verdeutlichten Max Hampl und Leon Tchakachow den Unterschied zwischen Volkslied und Kunstlied. Als typisches Volkslied spielten sie dafür „Kein schöner Land in dieser Zeit“ an und unterstrichen, dass das Kunstlied deutlich komplexer sei und mehr Möglichkeiten im Ausdruck habe. Als Beispiel hierfür wählten sie „Der Lindenbaum“ aus Franz Schuberts „Winterreise“-Zyklus.
Schubert sei nicht der erste Komponist, der gegen die Erwartungen gerichtete Klänge spielte, aber jener, der diese erstmals gezielt eingesetzt habe. Hierbei hätten sich unkonventionelle Harmoniewechsel ergeben. Eine politische Botschaft enthalte die „Winterreise“ nicht, sondern vielmehr eine innere Depression.

In ihrer Eingangsrede erläuterte die zweite stellvertretende Schulleiterin Eva Ehrgott die beeindruckende Karriere, die die beiden ehemaligen Schüler des Goethe-Gymnasiums hingelegt haben: Leon Tchakachow zog es nach dem Abitur im Jahr 2015 nach Frankfurt, wo er mittlerweile auf zahlreichen Opernbühnen zu finden ist. Max Hampls Weg führte nach Dresden, wo er an der Musikhochschule studierte und seitdem als Liedbegleiter, Kammermusiker und Chorleiter aktiv ist.
Nach zwei sehr abwechslungsreichen Stunden kann das Goethe-Gymnasium auf eine sehr gelungene Veranstaltung zurückblicken und bedankt sich bei Max Hampl und Leon Tchakachow für eine atemberaubende Vorstellung.
Dirk Wippert
